Diese Bahn stellte damals ein wichtiges Infrastrukturprojekt dar, welches die östlichen und westlichen Teile Berlins miteinander verband und den Beginn der Modernisierung des Verkehrswesens in der Stadt symbolisierte. Um den Herausforderungen des begrenzten Raums im Stadtzentrum Rechnung zu tragen, wurden im Entwurf des Bahnhofs alle Betriebs- und Serviceeinrichtungen in der unteren Struktur einer zweistöckigen Hochbahn geplant, wodurch eine optimale Raumnutzung gewährleistet wurde. Für die Verkehrsplanung des späten 19. Jahrhunderts war dies eine höchst innovative Lösung. Die Bahnhöfe Bellevue und Hackescher Markt sind die einzigen beiden doppelstöckigen Hochbahnhöfe Berlins, die noch derart viele Originalmerkmale aufweisen. Sie gelten als historische Zeugen der Verkehrsentwicklung der Hauptstadt.
In den Anfangsjahren wurde der Bahnhof Bellevue vor allem von den Bewohner:innen des relativ wohlhabenden Hansaviertels nahe dem Schloss Bellevue genutzt. Bei der Gestaltung des Bahnhofs wurde daher besonderes Augenmerk auf elegante Details gelegt, um so eine harmonische Eingliederung in die umliegenden gehobenen Wohnviertel zu gewährleisten. Nach dem Ersten Weltkrieg veränderte sich die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend, die Stadt Berlin expandierte und die Industrialisierung nahm an Fahrt auf.
Der Bahnhof Bellevue verzeichnete einen signifikanten Anstieg des Personenverkehrs und wurde für viele Bürger:innen zu einem festen Bestandteil des täglichen Lebens.
Während des Zweiten Weltkriegs wurden große Teile Berlins durch Bombenangriffe zerstört, wobei auch der Bahnhof Bellevue nicht verschont blieb. Nach der Teilung in Ost- und West-Berlin lag der Bahnhof Bellevue im Westteil der Stadt. 1949 erfolgte die Wiedereröffnung des instand gesetzten Bahnhofs, jedoch wurde das S-Bahn System von der DDR betrieben. 1961 begann die S-Bahn-Boykottbewegung, was zu einem starken Rückgang der Nutzung des Bahnhofs führte und das gesamte System ineffizient machte.
Andrea, eine Anwohnerin, erinnert sich: "Ich bin 1986 in das Haus direkt neben der S-Bahn Tiergarten eingezogen. Es war damals eine sehr ruhige Gegend, sodass das Geräusch der alle 30 Minuten vorbeifahrenden S-Bahn deutlich hörbar war. Alle 20 Minuten kreuzten sich die Züge hier, um nach Ost bzw. West zu fahren.” Mit der Wiedervereinigung der Stadt konnte die S-Bahn ihre Position als essentielles Verkehrsmittel schnell zurückgewinnen. In den Jahren zwischen 1995 und 1997 wurde der Bahnhof Bellevue umfassend restauriert. Dabei wurde sowohl der ursprüngliche architektonische Charme als auch die Funktionalität des Bahnhofs wiederhergestellt.
Als infrastrukturelles Zeugnis der Berliner Stadtentwicklung dokumentiert der Bahnhof die Entwicklung der Stadt von ihrer geschäftigen Anfangszeit über die Stagnation in der Zeit des Kalten Krieges bis hin zu ihrer Wiederbelebung nach der Wiedervereinigung. Der Bahnhof stellt nicht nur einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt dar, sondern ist zugleich ein Abbild der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Berlins.